Immomedien
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Alte, neue Baustoffe

Sowohl bei der Holz- als auch Beton-Bauweise hat es in den letzten Jahren aufsehenerregende Weiterentwicklungen gegeben. Aber auch die neue Keramik-Technologien werden von sich reden machen. Günstige Verbauung mit handlichem Material, die auch noch rasch umzusetzen ist. Auf diese Art und Weise Häuser zu bauen klingt sozialverträglich, nerven- und geldbörselschonend. Die Rede ist von Wohnraum aus PET-Einwegflaschen. Bereits 2001 hat der findige gebürtige Deutsche Andreas Froese die Idee dazu gehabt. Er gilt somit als Erfinder der Technik von "Eco-Tec" und setzt dies mit seinem Unternehmen Eco Tecnologia - Soluciones Ambientales um. Die Methode besteht darin, gebrauchte Flaschen aus dem thermoplastischen Kunststoff Polyethylenterephthalat, aus PET eben, durch das Befüllen mit Erde, Bauschutt oder Sand in Ziegelsteine zu verwandeln. Gestapelt, mit Nylonschnur oder Stacheldraht zusammengefügt und schließlich mit Lehm oder Mörtel verputzt ist das ganze keine Hexerei. Froeses ist als internationaler Berater vor allem in Ländern wie Honduras, Bolivien, Columbien, Mexiko und Uganda gefragt. Tatsächlich ist Trinkwasser in Ländern der sogenannten Dritten Welt häufig in erster Linie nur abgepackt in PET-Flaschen oder Plastikbeuteln für weite Teile der Bevölkerung verfügbar. Recycling, Altstoffsammlung usw. scheitert vielfach an der nötigen Infrastruktur. Daraus Häuser zu schaffen hat daher was für sich, das Müllproblem ist damit freilich langfristig nicht abgehakt, die schwer verrottbaren PET-Flaschen lösen sich nicht einfach in Luft auf. In unseren Breitengraden hat und wird sich die Idee allerdings kaum verbreiten, auch wenn allein in Wien laut Umweltministerium 2006 rund 80 Millionen 1,5-Liter-PET-Einwegflaschen Mineralwasser verkauft wurden. Eine größere Chance haben hierzulande dagegen kleine Wohneinheiten aus Holz- sowie recycelten Schiffscontainern. Die öad Wohnraumverwaltungs GmbH hat gemeinsam mit dem Partner home4students die Idee umgesetzt. Die ersten "PopUp dorms", mobile Studentenheime, waren im Oktober bezugsfertig. "Zurzeit noch gegenüber unseres ,GreenHouses' an der U2-Station Seestadt werden die PopUp dorms in den nächsten Jahren auch andere Stadtteile Wiens erkunden", heißt es seitens des Housing Office des Österreichischen Austauschdiensts (öad), der österreichischen Agentur für internationale Mobilität und Kooperation in Bildung, Wissenschaft und Forschung. Die Wohncontainer seien voll möbliert, mit einer Fläche als Einzelzimmer innerhalb einer Wohngemeinschaft von rund 12,5 Quadratmeter, als Einzelapartment von rund 19 Quadratmetern. ##Mechanisch untrennbar Bei diesen beiden Ideen handelt es sich um Zweck-Umwidmung des Ursprungsmaterials. Anders beim Holz: Dieses war schon immer auch für Bauzwecke gedacht. Aber auch bei diesem Traditions-Material gibt es neue Zugänge. So hat sich die Thoma Holz GmbH uralten Wissens vorheriger Generationen bedient: Das Unternehmen baut energieautarke Einfamilienhäuser, heute aber auch schon mehrstöckige Objektbauten, aus Massivholz - ganz ohne Verleimung, Nagelung und Holzbehandlungsmitteln. "Wir verwenden nur Mondholz, deshalb können wir ohne auskommen", erklärt Marketing-Verantwortlicher Jan Ludwig. Mondholz wird im Winter bei abnehmendem Mond geschlagen, dies mache es besonders widerstandsfähig gegen Käfer- und Pilzbefall. Dies sei nicht nur empirisch bestätigtes Wissen - die ältesten Tempelanlagen der Welt seien so errichtet worden -, sondern mittlerweile bereits auch von der ETH Zürich nachgewiesen. Die Massivholzelemente HOLZ100 bestehen aus kreuzweise verlegten Brettschichten, die über im Raster versetzte Buchendübel mit einem stehenden Kern bzw. Ober- und Untergurt verbunden werden. Die Dübel quellen mit der Restfeuchte im Holz auf, das ergibt eine mechanisch unauflösbare Verbindung. Die Errichtungsdauer für ein klassisches Einfamilienhaus liege bei nur zwei bis drei Tagen, da ja sämtliche Wandelemente mithilfe von Robotik vorgefertigt werden. "Der Holzbau ist keine Modeerscheinung", betont auch Michael Bauer, Geschäftsführer der zum Bauunternehmen Leyrer + Graf Baugesellschaft m.b.H. gehörenden Sparte Graf-Holztechnik. Er sieht darin vielmehr die logische Folge vorherrschender Sachverhalte, allen voran den Klimawandel. "Neben der ökologischen Bedeutung zählen auch das Technologie-Potenzial sowie die flexiblen Anwendungsmöglichkeiten zu den Vorzügen; daneben der hohe Vorfertigungsgrad, das geringe Gewicht, die kosteneffiziente Montage und die generell kurzen Bauzeiten." Konsequenterweise gewinnt der Holzbau im urbanen Wohnungsbau an Bedeutung, vor allem bei Aufstockungen oder Dachgeschoßausbauten. Bauer: "Der Holzbau lässt viele individuelle Gestaltungslösungen zu und deshalb eigenen sich zum einen besonders Gebäude mit freien, geschwungenen Formen für die Holzbauweise, denn Stahl und Beton stoßen hier an ihre natürlichen Grenzen. Zum anderen eignet sich der Baustoff Holz für klare Gebäudestrukturen aufgrund der möglichen Elementierung." Allerdings sei Bauen in enorme Höhen idealerweise eher anderen Baustoffen vorbehalten. Zu den echten "Landmarks" im Holzbau zählt Bauer den 2011 in Wien errichteten damals mit rund 65 Metern höchsten begehbaren Holzturm Europas. "Ein Auftrag der ÖBB im Rahmen der Bahnoffensive, um Besuchern die Möglichkeit zu geben, das Baugeschehen live mitzuverfolgen", erklärt Bauer. Die Herausforderung sei das extrem geringe Platzangebot vor Ort gewesen. Der "bahnorama" wurde beim diesjährigen Wiener Holzbaupreis "wienwood" ausgezeichnet. "Das zweite Groß-Projekt war das G3 Shopping Resort in Gerasdorf mit einer Dachfläche von 60.000 Quadratmetern und einem Bedarf an Brettschichtholz und Brettsperrholz von 11.000 Kubikmetern". Die Material-Verbringung sei eine enorme logistische Herausforderung gewesen. ##Grünes Licht für HoHo Gar von einer Revolution im Bereich Holz spricht Rainer Handl, Geschäftsführer der Herstellergemeinschaft MH MassivHolz Austria. "Wir bauen nicht mehr so wie vor 100 Jahren, nicht einmal mehr so wie vor zehn Jahren. Holz ist grenzenlos geworden." Denn vor Kurzem, im Oktober, wurde die Baugenehmigung für etwas bis dato Undenkbares erteilt: Für das weltweit erste 24-stöckige Holz-Hochaus in Hybridbauweise mit rund 4.000 Quadratmetern Fläche und 84 Metern Höhe. Mit dem Bau, zu deren Eigentümern und Auftraggebern auch Bau-Tycoon Günter Kerbler gehört, werde voraussichtlich im Frühjahr 2016 begonnen, die geplante Bauzeit beläuft sich auf zwei Jahre. "Vom großen Hotelbetreiber bis zum Kleinstunternehmer, der in der Seestadt wohnt, führen wir bereits mit potenziellen Mietern intensive Gespräche", freut sich Caroline Palfy, Geschäftsführerin des HoHo Wien, über das rege Interesse. Handl sieht Wirtschaftlichkeits-Limits, aber keine technischen für den Baustoff Holz. Und so komme im privaten Bereich Holz bereits zu mehr als 40 Prozent zum Einsatz, im öffentlichen Bau gebe es noch viel Nachholbedarf, hier sei der Prozentsatz sehr viel geringer, obwohl mit Holz "wertgesichertes und nachhaltiges Bauen" gewährleistet sei. ##Leuchtturmprojekt Allianz Stadion Aber auch der Baustoff Beton erlebt immer wieder neue Renaissancen. Die Basis ist dabei die gleiche, allerdings lassen sich durch Beigabe von Zusatzstoffen die Eigenschaften von Beton verändern und damit werden die Einsatz-Möglichkeiten immer vielfältiger. Dies lässt sich am besten anhand des konkreten Beispiels SK Rapid Stadion in Wien-Hütteldorf verdeutlichen, das heuer neugebaut wurde. Gernot Brandweiner, Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB): "Bemerkenswert am neuen ,Allianz Stadion' ist die moderne Fertigteilarchitektur aus vorgefertigten Beton- und Stahlbetonteilen. Dabei kam ,eine hundertprozentige Eigenentwicklung' des österreichweiten Oberndorfer-Firmennetzwerks, eines VÖB-Mitglieds, zum Einsatz." Der selbstverdichtende SCC-Spezialbeton ("Self Compacting Concrete"), ein homogener, weicher und äußerst fließfähiger Beton, fließt ohne Einwirkung zusätzlicher Verdichtungsenergie, allein unter dem Einfluss der Schwerkraft, entlüftet und füllt jeden Hohlraum innerhalb der Schalung und Bewehrung aus. Zum Einsatz kam zudem eine spezielle dichte Schalung. Eine mit zwölf Tonnen Zugkraft durch Halbzoll-Spannstahllitzen vorgespannte Bewehrung ermöglichte es, Tribünen-Doppelelemente mit insgesamt 10,5 Metern Länge und knapp zwölfeinhalb Tonnen Gewicht zu produzieren. Durch veränderte Zusammensetzung des Betons könne man auch immer schlankere Bauteile verwenden, die Genauigkeiten bei der Verbauung seien extrem gestiegen, so Brandweiner. Auch im Tunnel- und Kraftwerksbau seien österreichische Unternehmen weltweit ganz vorne mit dabei. Kachelofen-Effekt, aber nicht nur Richtungsweisend ist - ebenfalls aus ökologischen Gründen - auch die thermische Aktivierung von Beton-Bauteilen. "Bei intelligenter Nutzung und entsprechender Bauweise lassen sich Keller aus Beton nicht nur als Speichermasse, sondern auch als Wärmetauscher in Verbindung mit dem umgebenden Erdreich verwenden", erklärt Experte Brandweiner. Somit lassen sich Bauwerke im Winter durch aktive Speichermassenbewirtschaftung noch effizienter heizen und im Sommer kühlen - eine Einsatzmöglichkeit, die uns angesichts der Klimaerwärmung wohl noch viel Freude bereiten wird. Im September dieses Jahres hat der VÖB im Übrigen ein neues Label präsentiert, das regionale Betonprodukte auf Anhieb erkenntlich macht. ##Keramik-Fassaden mit kühlen Luftschleiern Hoch im Kurs - gerade auch in Bezug auf klimatische Herausforderungen - könnte auch das Material Keramik stehen, ein Baustoff, mit dem sich zudem sehr individuelle Lösungen und projektspezifische Module entwickeln lassen, meint Martin Bechtold, Professor of Architectural Technology der Uni Harvard, der vor Kurzem auf Einladung von Laufen Austria seine Ideen zum Thema "Keramik als innovatives Baumaterial für fortschrittliche Architektur" ausführte. "Keramik ist der älteste plastische Werkstoff der Menschheit und faszinierend in Bezug auf Haptik, Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten", so Bechtold. Auch er sieht internationale Architekten damit mittlerweile Dingen umsetzen, die "noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären". Bei den neuen Entwicklungen kommt ebenfalls Robotik zum Einsatz. Durch poröse Elemente in der Keramik ließen sich Oberflächen mit günstigen thermischen und akustischen Eigenschaften - neben jener, dass Keramik auch hohen hygienischen Anforderungen gerecht wird - herstellen. Mit der Porösität lassen sich bei sommerlichen Temperaturen Verdunstung und damit Kühle und Energieverbrauch steuern. "Es gibt Gebäude mit Keramik-Fassaden, die von einem kühlen Luftschleier umgeben sind", schwärmt Bechtold vom "von der Gestaltung her extrem vielseitigen Werkstoff". Nochmal zurück zu den Dritte-Welt-Ländern, und so schließt sich der Kreis: Viele Länder in Asien, Lateinamerika und Afrika - und deren Bewohner - sind immer wieder von starken Erdbeben geplagt. Durch das Einbringen textiler Halbzeuge aus Glas- oder Carbonfilamenten in eine Betonmatrix entsteht ein neuer, innovativer Verbundwerkstoff: textilbewehrter Beton. Er kann als Alternative zu herkömmlichen Baustoffen zur Anwendung kommen und eignet sich sowohl für die Herstellung neuer Betonbauteile als auch für den Einsatz in der Instandsetzung und Verstärkung bestehender Bauwerke, so die Technische Universität Dresden. «
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© Cachalot Media House GmbH - Veröffentlicht am 02. November 2015 - zuletzt bearbeitet am 07. Oktober 2024


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Autor Linda Kappel
Tags
Nachhaltigkeit
Innovation
Baustoffe
Tech
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zukunft

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